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Einige Bemerkungen zur axiomatischen Begründung der Mengenlehre. (German) JFM 49.0138.02

Helsingfors: Akadem. Buchh. (5. Kongreß Skandinav. in Helsingfors vom 4. bis 7. Juli 1922, S. 217-232). (1923).
Der Vortrag enthält eine Kritik an der axiomatischen Begründung der Mengenlehre durch Zermelo und bezieht sich teils auf Einzelheiten, teils auch auf die grundsätzlich wesentlichen Bestandteile jener Axiomatik. Die erste Bemerkung kritisiert die Verwendung des Begriffes “Bereich” (die übrigens nur einen Schönheitsfehler darstellen dürfte). Die zweite sucht die unbefriedigende Art des Begriffs “definite Aussage” durch Reduktion dieses Begriffs auf die fünf Grundoperationen des Schröderschen Logikkalküls zu verbessern. Die vierte weist auf die Existenz von Mengen hin, die durch Zermelos Axiomensystem nicht gesichert werden können, und schlägt zur Ausfüllung dieser Lücke ein neues Axiom vor. Die fünfte Bemerkung hebt hervor, daß die Schwierigkeit der nicht-prädikativen Bildungen durch die Axiomatik nicht aufgelöst wird (und auch im Whitehead-Russellschen System nur die Gewaltlösung des Reduzibilitätsaxioms findet); ein Beweis der Widerspruchsfreiheit werde sehr schwer sein. Die sechste Bemerkung zeigt, daß der Zermelosche Bereich durch seine Axiome nicht eindeutig bestimmt ist und daß die Axiomatik daher auch wohl ungeeignet sein werde, um z. B. alle Mächtigkeitsprobleme zu entscheiden. Die siebente Bemerkung hebt die Schwierigkeit der Unabhängigkeitsuntersuchung für eine Axiomatik der Mengenlehre hervor und verweist demgegenüber, unter kritischen Bemerkungen zu Hilberts “Neubegründung der Mathematik”, auf das unmittelbare Gegebensein der Zahlenreihe (im intuitionistischen Sinn), während die achte und letzte Bemerkung nur den rein existentialen und daher (vom intuit. Standpunkt) bedeutungslosen Charakter des Auswahlaxioms betont.
Bedeutungsvoller als diese Bemerkungen, von denen die Mehrzahl sich mit einschlägigen, 1922 erschienenen Betrachtungen des Referenten decken, erscheint dem Verf. seine dritte Bemerkung, die, gestützt auf einen, dem Schröderschen Gedankenkreis angehörigen Satz von Löwenheim (Math. Ann. 76), nichts Geringeres als eine völlige Relativierung des axiomatischen Mengen- und Mächtigkeitsbegriffs bezweckt. Aus den (von Skolem anderweitig vereinfachten) Betrachtungen Löwenheims wird nämlich folgender Satz hergeleitet: “Ist das (vermöge der zweiten Bemerkung präzisierte) Zermelosche Axiomensystem widerspruchsfrei, so ist es möglich, eine abzählbare Folge von Symbolen \(1, 2, \ldots \) so einzuführen, daß diese einen Bereich bilden, für den die Zermeloschen Axiome alle gültig sind, wenn nur jene Symbole in passender Weise zu Paaren der Form \(a \in b\) (\(a\) ist Element von \(b\)) zusammengestellt werden.” Die Paradoxie, die in der Abzählbarkeit eines Bereiches \(\mathfrak B\) liegt, in dem (z. B. mittels des Diagonalverfahrens) nichtabzählbare Mengen \(M\) ohne weiteres nachgewiesen werden können, wird vom Verf. so erklärt: Die Nichtabzählbarkeit von \(M\) besagt im axiomatischen Sinne nur, daß auf Grund der Axiome keine Abbildung zwischen \(M\) und der Zahlenreihe existiert; dagegen stellt die Zusammenfassung und Abzählung aller Dinge von \(\mathfrak B\) zwar eine Folge im naiven Sinn, nicht aber eine Menge auf Grund der Axiome dar. Im nämlichen Sinn wird sogar der Unterschied zwischen endlichen und unendlichen Mengen (und Mächtigkeiten) relativ, um so mehr jede Unterscheidung unendlicher Mächtigkeiten, und diese Relativierung erscheint mit jeder konsequenten Axiomatik untrennbar verknüpft.