Hilbert, David; Bernays, P. Grundlagen der Mathematik. Bd. 1. (German) Zbl 0009.14501 Die Grundlehren der mathematischen Wissenschaften in Einzeldarstellungen mit besonderer Berücksichtigung der Anwendungsgebiete. Bd. 40. Berlin: Julius Springer. xii, 471 S. (1934). Von der schon seit längerem angekündigten ausführlichen Darstellung der Hilbertschen Beweistheorie, von Bernays abgefaßt, liegt jetzt der erste Band vor. Zum erstenmal werden hier die Untersuchungen, die, hauptsächlich in den: letzten 10 Jahren, auf diesem Gebiet angestellt worden sind, einheitlich dargestellt. Doch bemerkt man es an dem Buch kaum, daß es eine erste Systematisierung von relativ rezenten Ergebnissen enthält. Sein streng methodischer Bau wird von kaum einem klassischen Lehrbuch übertroffen. Kennzeichnend hierfür ist, daß jede der behandelten Methoden bis an die äußerste Grenze ihrer Leistungsfähigkeit nachgeprüft wird und sodann ausführlich auseinandergesetzt wird, an welcher neuen Schwierigkeit sie scheitert. Andererseits wird jedes einzelne Problem möglichst erschöpft und angegeben, an welchen Stellen die heutigen Ergebnisse noch der Vervollständigung bedürfen. Die Beweise werden ausführlich gegeben, wenn auch über einige mehr abseits liegende Untersuchungen mehr referierend berichtet wird. Das Buch ist, von größeren Rechnungen abgesehen, angenehm und so bequem als der Stoff es zuließ, lesbar. Philosophische Bemerkungen enthält es fast nicht, polemische gar nicht.Der Band ist in 8 Paragraphen eingeteilt. §1 führt in die Fragestellung ein. §2 enthält eine ausführliche Darlegung der finiten Methoden von Hilbert. Die finite (mit der intuitionistischen zusammenfallende) Zahlentheorie wird, unter Anwendung der vollständigen Induktion im inhaltlichen Sinn, ziemlich weit entwickelt. Sodann wird erläutert, in welchen Punkten die Arithmetik in ihrer üblichen Behandlung über den finiten Standpunkt hinausgeht. Hier findet sich auf Seite 43 die einzige Stelle des Buches, mit der die intuitionistischen Mathematiker nicht einverstanden sein können. Erstens kommt in der kurzen Bemerkung über die Untersuchungen Brouwers ungenügend zum Ausdruck, daß Brouwer als erster die Einschränkungen, denen das inhaltliche Schließen unterliegt, angab; zweitens zeigt die Ausdrucksweise der letzten beiden Absätze auf Seite 43, daß der Verf. den Widerspruchsfreiheitsbeweis doch als eine Art von inhaltlicher Rechtfertigung betrachtet, was die Intuitionisten nicht zugeben können.In §3 wird die Aussagenlogik behandelt, zunächst als Theorie der zweiwertigen Wahrheitsfunktionen, sodann als Aussagenkalkül an der Hand von Ersetzungsregeln, welche einen logischen Ausdruck in einen anderen überführen, der dieselbe Wahrheitsfunktion darstellt. Über den axiomatischen Aussagenkalkül, der im Buch ferner nicht benutzt wird, berichtet der Verf. mehr referierend. Es sei besonders auf das Axiomensystem (Seite 66) hingewiesen, das gestattet, die positive Logik vollständig auf die negationsfreien Axiome zu gründen. Auf Seite 100 wird dieses Axiomensystem zu einer interessanten heuristischen Herleitung der Formeln des Prädikatenkalküls verwendet. §4 enthält Betrachtungen über den Prädikatenkalkül (PK). Die Begriffe der \(k\)-zahlig identischen und der im Endlichen identischen Formel führen über den Satz, daß jede ableitbare Formel des PK im Endlichen identisch ist, zu dem Beweis der Widerspruchsfreiheit des PK. Die Begriffe der Überführbarkeit \((A\) ist in \(B\) überführbar, wenn \(A \sim B\) ableitbar ist) und der Deduktionsgleichheit \((A\) ist mit \(B\) deduktionsgleich, wenn \(B\) aus \(A\) und \(A\) aus \(B\) abgeleitet werden kann) werden untersucht; im Anschluß hieran wird bewiesen, daß jede Formel des KP in eine pränexe Normalform überführbar und einer Skolemschen Normalform deduktionsgleich ist.In §5 wird der PK durch Hinzunahme der Identität erweitert; diese wird eingeführt durch die beiden Gleichheitsaxiome (J\(_1\)) \(a = a\) und (J\(_2\)) \(a=b \rightarrow (A(a)\rightarrow A (b))\), welche sie eindeutig charakterisieren. Als erste Anwendung werden die Anzahlformeln untersucht, welche, inhaltlich gedeutet, eine obere oder untere Grenze für die Zahl der Dinge des Individuenbereichs angeben. Eine analoge Betrachtung führt zur Herstellung einer Normalform für die Formeln des erweiterten einstelligen PK.Eine zweite Erweiterung betrifft die Einführung von mathematischen Funktionszeichen.Es folgen nun Vollständigkeitssätze für den einstelligen PK und die Lösung des Entscheidungsproblems für diesen Kalkül; diese Resultate werden auf den erweiterten einstelligen PK ausgedehnt.In §6 wird der Übergang zur Zahlentheorie zustande gebracht, indem zu dem erweiterten PK Axiome für die Ordnungsbeziehung und für die Nachfolgefunktion hinzugenommen werden. Die Ordnungsaxiome waren schon in §4 als im Endlichen unerfüllbar erkannt; für die Nachfolgefunktion werden gerade diejenigen Axiome gewählt, welche sie als eine umkehrbar eindeutige Abbildung des Individuenbereichs auf einen echten Teil desselben kennzeichnen. Nach einigen Umformungen des Axiomensystems, u. a. durch Einführung des Individuensymbols \(0\) (das die Vertretung der natürlichen Zahlen durch ,,Ziffern” innerhalb des Formalismus ermöglicht), folgt der Widerspruchsfreiheitsbeweis nach der Reduktionsmethode von Herbrand und Presburger.Durch Hinzunahme von Axiomen, die keine Formelvariable und kein neues Symbol enthalten, kann das Axiomensystem ergänzt werden zu dem System \((A)\), das die Eigenschaft hat, daß für jede aus den in \((A)\) vorkommenden Symbolen gebildete Formel \(\mathfrak A\), die keine Formelvariable und keine freie Individuenvariable enthält, entweder \(\mathfrak A\) oder \(\overline{\mathfrak A}\) ableitbar ist. Das System \((A)\) steht in einer merkwürdigen Beziehung zu dem Axiom der vollständigen Induktion (welches auch durch eine Schlußregel, das Induktionsschema, ersetzt werden kann). Durch Hinzunahme des Induktionsschemas zu \((A)\) wird der Bereich derjenigen ableitbaren Formeln, die keine Formelvariable enthalten, nicht erweitert; das Induktionsaxiom ist aber aus \((A)\) nicht ableitbar. Nimmt man es zu \((A)\) hinzu, so entsteht ein Axiomensystem \((B)\), das die gleichen Vollständigkeitseigenschaften hat wie \((A)\). Die Unabhängigkeit der Axiome aus \((A)\) und \((B)\) wird bewiesen; aus \((B)\) wird noch das ,,Prinzip der kleinsten Zahl” hergeleitet. In §7 werden die Definitionen durch Rekursion eingeführt; die Widerspruchsfreiheit kann für diese nur noch unter Ausschluß der gebundenen Variablen bewiesen werden. Die Untersuchungen von Ackermann und von Rósza Péter über Zurückführbarkeit verschränkter Rekursionen auf einfache werden dargestellt. Es wird nun bewiesen, daß die Gleichung \(a+b = c\) im Formalismus des Systems \((B)\) nicht durch eine Formel \(\mathfrak A(a, b, c)\) ,,vertreten” werden kann (die genaue Definition der Vertretbarkeit muß ich hier unterdrücken); durch Hinzufügung der Rekursionsgleichungen für \(+\) zu \((B)\) entsteht System \((D)\). Mittels der Reduktionsmethode wird die Widerspruchsfreiheit von \((D)\) bewiesen und wird gezeigt, daß dieses System die gleichen Vollständigkeitseigenschaften besitzt wie \((B)\). Die Darstellungsfähigkeit des Formalismus von \((D)\) ist aber noch sehr beschränkt; die Gleichung \(a\cdot b = c\) ist in \((D)\) nicht vertretbar. Nimmt man aber die Rekursionsgleichungen für die Multiplikation zu \((D)\) hinzu, so hat das dadurch gebildete System \((Z)\) völlig andere Eigenschaften. In \((Z)\) sind alle rekursiv definierbaren Funktionen vertretbar. Da man die durch den Formalismus von \((Z)\) ausdrückbaren. Probleme (welche die ganze Zahlentheorie umfassen) nicht mehr vollständig mathematisch beherrscht, ist die Reduktionsmethode für den Beweis der Widerspruchsfreiheit nicht mehr gangbar. In §8 wird die Russelsche Funktion \(\iotai_x \mathfrak A(x)\), ,,derjenige \(x\), welcher die Eigenschaft \(\mathfrak A(x)\) besitzt” untersucht. Bei Zugrundelegung des Systems \((Z)\) kann jede rekursive Definition mit Hilfe der \(\iota\)-Symbole durch eine explizite Definition ersetzt werden. Das Hauptergebnis des Paragraphen ist der ,,Satz von der Eliminierbarkeit der \(\iota\)-Symbole”. Der Band schließt mit einer Betrachtung über die Vertretbarkeit von Funktionszeichen durch Prädikatensymbole und über die Ausschaltung von Individuensymbolen durch Existenzaxiome. Die Behandlung der Frage, ob umgekehrt die Ausschaltung der Existenzaxiome mittels der Einführung von Funktionszeichen und Individuensymbolen als ein Übergang zu einem gleichwertigen Axiomensystem vollzogen werden kann, sowie die Untersuchung der Widerspruchsfreiheit des Systems \((Z)\) werden für den zweiten Band in Aussicht gestellt [Zbl 0020.19301]. Dieser sehr unvollständige Auszug aus dem Inhalt zeigt wohl, daß es sich um ein Standardwerk handelt.Störender Druckfehler auf Seite 145, wo es Zeile 8 ,,nicht mehr” heißen soll und Zeile 10 ,,nicht” zu streichen ist. Reviewer: A. Heyting (Enschede) Page: −5 −4 −3 −2 −1 ±0 +1 +2 +3 +4 +5 Show Scanned Page Cited in 12 ReviewsCited in 33 Documents MSC: 03-02 Research exposition (monographs, survey articles) pertaining to mathematical logic and foundations Keywords:foundations; logic Citations:Zbl 0020.19301; JFM 60.0017.02; JFM 65.0021.02 PDFBibTeX XML