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Das asymptotische Verteilungsgesetz der Eigenwerte linearer partieller Differentialgleichungen (mit einer Anwendung auf die Theorie der Hohlraumstrahlung). (German) JFM 43.0436.01

Von der Überzeugung ausgehend, daß so allgemeine Methoden wie die Theorie der Integralgleichungen, wenn man sie auf die mathematische Physik anwendet, ihre eigentliche Kraft nicht in der Lösung konkreter Einzelprobleme entfalten können, sondern vor allem dazu dienen müssen, die einem großen Komplex von Erscheinungen gemeinsamen Züge ausfindig zu machen, hat sich der Verf. die Aufgabe gestellt, folgende These zu begründen: Schwingungsvorgänge, deren Gesetzmäßigkeit sich in einer linearen Differentialgleichung vom Typus der gewöhnlichen Schwingungsgleichung ausspricht, besitzen, unabhängig von der geometrischen Gestalt und physikalischen Beschaffenheit der Medien, in denen sie sich abspielen, im Gebiete der hohen Schwingungszahlen alle wesentlich ein und dasselbe Spektrum. Um ein präzises Beispiel zu geben: Die zu der Randbedingung \(u=0\) in einem beliebig gestalteten Raumstück \(J\) vom Volumen \(J\) gehörigen Eigenwerte \(\lambda=\lambda_n\) der Schwingungsgleichung \(\varDelta u+\lambda u=0\) erfüllen, der Größe nach geordnet, die Beziehung \(\lambda_n^3\thicksim\left(\dfrac{6\pi^2n}J\right)^2\) – in dem Sinne, daß der Quotient der rechten und linken Seite mit unbegrenzt wachsendem \(n\) gegen 1 konvergiert. Außer der Randbedingung \(u = 0\) wird vor allem diejenige studiert, welche dem Problem der elektromagnetischen Schwingungen in einem Hohlraum entspricht; in diesem Falle handelt es sich übrigens nicht um ein skalares, sondern ein vektorielles Feld \(u\), die unbekannte Amplitude der elektrischen Feldstärke bei einer stehenden Schwingung. Es wird hier der entsprechende Satz bewiesen und damit ein Resultat gewonnen, das für die Begründung der modernen Strahlungstheorie von hoher Wichtigkeit ist. Der Fall eines inhomogenen Mediums (mathematisch gesprochen: der allgemeinen sich selbst adjungierten linearen Differentialgleichung zweiter Ordnung, welche den Spektrumsparameter \(\lambda\) linear enthält) wird gleichfalls erledigt.
Die Grundlage der Untersuchung bildet eine Reihe sehr einfacher Sätze über Integralgleichungen. Der wichtigste ist dieser: Hat man zwei Kerne \(K'\), \(K''\), deren reziproke positive Eigenwerte (der Größe nach geodnet) \(\varkappa_n'\), \(\varkappa_n^{\prime\prime}\) heißen mögen, so gilt für die reziproken positiven Eigenwerte \(\varkappa\) des Summenkerns \(K = K' + K''\) die Ungleichung \(\varkappa_{m+n-1}\leqq\varkappa_m'+\varkappa_n^{\prime\prime}\). Zu den nächstliegenden Folgerungen dieses Satzes gehört die Aussage, daß die Eigenwerte eines Kernes alle zunehmen, wenn man den Integrationsbereich verkleinert. Bedeutsamer erweist sich, daß man aus jener Ungleichung schließen kann: Addiert man zu einem Kern \(K\) einen andern mit asymptotisch dünnerer Eigenwertverteilung als \(K\), so wird dadurch die Eigenwertverteilung von \(K\) asymptotisch nicht beeinflußt. Mit den gleichen Hülfsmitteln wird bewiesen, daß im eindimensionalen Fall die Eigenwerte eines stetig differenzierbaren Kerns stärker wachsen als \(n^{3/2}\), und das Analoge für 2 und 3 Dimensionen.
Der Grundgedanke des Beweises läßt sich nun so angeben: Die Greensche Funktion \(G\) eines Körpers \(J\) (die \(=0\) gesetzt werde, wenn Quellpunkt oder Aufpunkt außerhalb \(J\) liegt) wird beim Zusammenrücken von Quellund Aufpunkt unendlich wie \(\dfrac1r\); von dieser Singularität allein hängt die asymptotische Eigenwertverteilung ab. Teilt man \(J\) durch eine Wand in zwei Gebiete \(J_1\), \(J_2\) mit den Greenschen Funktionen \(G_1\), \(G_2\), so kommt in \(G - (G_1 + G_2)\) jene Singularität zum Fortfall. Gemäß den oben erwähnten allgemeinen Sätzen über Integralgleichungen schließt man daraus, daß man die Eigenwerte von \(G\) asymptotisch richtig bekommt, wenn man die Eigenwerte von \(G_1\) und \(G_2\) zusammen in eine einzige Reihe ordnet. Statt \(J\) in zwei Gebiete \(J_1\), \(J_2\) zu teilen, denkt man sich den Hohlraum jetzt aus kleinen Würfeln aufgebaut, zwischen denen man die trennenden Wände einreißt. Da die Eigenwerte eines Würfels explizit bekannt sind, kommt man dann durch Exhaustion zum Ziel.

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References:

[1] Außer der Originalarbeit von Jeans (Phil. Mag. 1905, 6. Ser., 10, p. 91-98) vgl. den Vortrag von H. A. Lorentz auf dem Internationalen Mathematiker-Kongresse in Rom 1908. Lorentz hat auch (in dem vierten seiner Göttinger Vorträge ?Über alte und neue Fragen der Physik?) den hier in § 6 bewiesenen Satz als eine aus physikalischen Gründen plausible Vermutung ausgesprochen. Über die einfachsten Fälle, in denen sich der Beweis durch direkte Berechnung der Eigenwerte erbringen läßt, handelt die Leidener Dissertation von Fräulein Reudler. Das analoge Problem im Gebiet der Akustik (das in der vorliegenden Arbeit gleichfalls seine Erledigung findet) hat A. Sommerfeld auf der Naturforscher-Versammlung zu Königsberg 1910 [Physikalische Zeitschrift 11 (1910), S. 1061] aufgeworfen.
[2] Eine kurze Note über den Gegenstand dieser Arbeit habe ich bereits in den Göttinger Nachrichten (math.-phys. Klasse, Sitzung vom 25. Febr. 1911) veröffentlicht.
[3] Math. Ann. 63 (1907), S. 467 ff. Man darf wohl behaupten, daß der hier gegebene Beweis tiefer in das Wesen der Sache eindringt als der Schmidtsche; hier zeigt sich nämlich: der wahre Grund dafür, daß die Quadratsumme der reziproken Eigenwerte vonK?k n größer ist als die Quadratsumme ? n+1 2 +? n+2 2 +..., ist der, daß jedes einzelne Glied jener ersten Quadratsumme größer ist als das entsprechende Glied der zweiten Summe. E. Schmidts Satz bezieht sich übrigens auf beliebige (unsymmetrische) Kerne; aber auch unser Beweis läßt sich auf diesen allgemeineren Fall sogleich übertragen.
[4] Vgl. C. Jordan, Cours d’Analyse (2e éd., Paris 1893), I, S. 107, oder S. 455 dieser Arbeit.
[5] Diese Überlegung rührt von Herrn C. Jordan her, l. c. Cours d’Analyse (2e éd., Paris 1893), I. S. 107.
[6] Diese Überlegung rührt von Herrn C. Jordan her, l. c.Cours d’Analyse (2e éd., Paris 1893), I. S. 107.
[7] Vgl. meine oben zitierte Note in den Göttinger Nachrichten.
[8] E. E. Levi, Gött. Nachr., 16. Mai 1908.
[9] Vgl. R. König, Math. Ann. 71 (1911), S. 184 ff. (Habilitationsschrift); Hilbert, Gött. Nachr., math.-phys. Klasse, 1910, S. 362 ff. · JFM 42.0709.01
[10] Vgl. Minkowski, Über die Begriffe Länge, Oberfläche, Volumen; Jahresber. D. Math.-Ver. 9, S. 115; Gesammelte Abhandlungen II, S. 122. · JFM 32.0300.02
[11] Vgl. E. E. Levi, Gött. Nachr., 16. Mai 1908.
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