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Über einige funktionentheoretische Anwendungen der Eulerschen Reihen-Transformation. (German) JFM 43.0494.03

Münch. Ber. 1912, 11-92 (1912).
Die Absicht der vorliegenden Abhandlung, die aus einem Vortrag des Verf. in der Euler - Festsitzung der D. Math.-Ver. i. J. 1907 und des weiteren aus einer Universitätsvorlesung im Jahre 1911 hervorgegangen ist, besteht darin, gewissermaßen in einem modernisierten Kapitel “de transformatione serierum” zu zeigen, wie eine Reihe bemerkenswerter und für die Funktionenlehre charakteristischer Sätze, mögen dieselben im wesentlichen auch schon mit verschiedenartigen ändern, meist komplizierteren Hülfsmitteln gefunden worden sein, aus einem völlig einheitlichen Prinzip in möglichst elementarer Weise abgeleitet werden können. Dieses Prinzip ist die (durch den beliebigen Faktor \(s\)) verallgemeinerte Eulersche Reihentransformation, die darin besteht, in der Potenzreihe (1) \(F(x) =\sum a_{\nu} x^{\nu}\), deren Konvergenzradius = 1 sei, \(x\) durch \(\dfrac{sy}{1+y}\) zu ersetzen und sodann \(F(x)\) nach Potenzen von \(y=\dfrac{x}{s-x}\) zu entwickeln. Die so transformierte Reihe \(\sum A_{\nu}(s)y^{\nu}\) konvergiert sicher in einem gewissen, den Einheitskreis der \(x\)-Ebene von innen berührenden Kreise, kann aber ein darüber hinausreichendes Konvergenzgebiet (das immer ein Kreis ist) haben und liefert dann die analytische Fortsetzung von \(F(x)\).
Die Koeffizienten \(A_{\nu}(s)\) hängen linear von \(a_0,a_1,\ldots, a_{\nu}\) ab; es gilt der Satz: Die notwendige und hinreichende Bedingung dafür, daß der Punkt \(x = - s\cdot|s|^{-1}\) ein singulärer für \(F(x)\) ist, lautet: \[ \varlimsup_{\lambda=\infty}\root \lambda \of {|{A_{\lambda}(s)}|}=1+|s|. \tag{2} \] An einer späteren Stelle zeigt der Verf. noch, daß sehr viele der Koeffizienten \(a_0, a_1,\ldots, a_\lambda\) in \(A_\lambda(s)\) für den \(\varlimsup\) in (2) bedeutungslos sind, und gelangt so zu einer zuerst von Fabry gefundenen und für die Anwendungen geeigneteren Bedingung als (2).
Nachdem der Verf. sodann eingangs des zweiten Paragraphen die Funktion \(\sum\limits_{1}^{\infty}{\nu}\,g(\nu)x^{\nu}=\gamma\left(\dfrac{x}{1-x}\right)\) betrachtet hatte (wo \(g\) und \(\gamma\) stets gleichzeitig ganze rationale Funktionen sind), zeigt er zunächst, wie in sehr einfacher Weise durch Weiterbildung der Lagrangesehen Interpolationsformel eine ganze Funktion \(G\)(x) gebildet werden kann, die für \(x = 1, 2, 3,\ldots\) die willkürlichen Werte \(a_1,a_2,a_3,\ldots\) annimmt. Wenn aber eine ganze Funktion \(G(x)\) die höchstens dem Minimaltypus der Ordnung 1 angehört, existiert der Art, daß \(G(\nu)=a_{\nu}\) ist (für \(\nu = 1, 2,\ldots\)), dann ist \(\sum\limits_1^\infty {\nu}\,G(\nu)x^\nu= \varGamma\left(\dfrac{x}{1-x}\right)\), wo \(\varGamma\) eine beständig konvergente Potenzreihe bedeutet, und umgekehrt.
Der Verf. gewinnt mittels seiner Methode diesen zuerst von Faber bewiesenen Satz und bestimmt die Koeffizienten von \(\varGamma\) in ihrer Abhängigkeit von den \(a_{\nu}\).
Ferner beweist der Verf. zum erstenmal folgenden Satz: Ist \(\varlimsup\limits_{\nu=\infty}\root \nu\of{|G(\nu)|}=1\), außerdem \(G(y)\equiv\sum\limits_0^\infty{\chi}\,c_{\chi}y^{\chi}\) vom Typus \(\gamma=\lg\left(1+\dfrac1{\varrho}\right)\) der ersten Ordnung so ist \(f (x)\equiv\sum\limits_1^{\infty}{\nu}\,G(\nu)x^{\nu}\) eindeutig und regulär fortsetzbar über die Halbebene links von der Vertikalen durch den Punkt \(x=\dfrac12\), wenn \(\varrho=1\); ebenso über das ganze Gebiet außerhalb des Kreises mit dem Mittelpunkt \(\dfrac{\varrho^2}{\varrho^2-1}\) und dem Radius \(\dfrac{\varrho}{\varrho^2-1}\), wenn \(\varrho > 1\).
Im dritten Paragraphen gibt der Verf. zunächst eine notwendige und hinreichende Bedingung dafür, daß \(\sum\limits_0^\infty{\nu}\,a_{\nu}x^{\nu}\) regulär fortsetzbar ist über die ganze Ebene mit Ausnahme des geradlinigen Schnitts \(1\ldots\infty\). Er zeigt weiter, daß diese Bedingung erfüllt ist, falls \(a_{\nu}=\dfrac1{\nu-\alpha}\), \(a_{\nu}=\mathfrak P\left(\dfrac1{\nu-\alpha}\right)\) [\(\nu>\nu'\)], ferner für \(a_{\nu}= \int\limits_0^1\psi(t)t^{\nu}dt\) (Hadamard).
Der vierte Paragraph ist dem Zusammenhang der analytischen Funktionen \(C (x) =\sum a_{\nu} b_{\nu}x^{\nu}\), \(A(x)=\sum a_\nu x^{\nu}\), \(B(x)=\sum b_\nu x^{\nu}\) gewidmet. Es besteht der Hadamardsche Satz, daß die Singularitäten von \(C(x)\) unter den Stellen \(\alpha\cdot\beta\) zu suchen sind, wenn generell mit \(\alpha\) die singulären Stellen von \(A(x)\), mit \(\beta\) die von \(B(x)\) bezeichnet werden. Der Verf. zeigt, daß zwar in vielen speziellen Fällen dieser Satz mittels der Eulersehen Transformation bewiesen werden kann, daß aber der Beweis des allgemeinen Falls weitergehende Hülfsmittel erfordert, und daß also jeder Versuch, den Hadamardschen Satz allgemein elementar auf diesem Wege zu beweisen, scheitern muß. (Ein solcher Beweisversuch eines ändern Mathematikers war ohne Kritik in Lehrbücher übergegangen).
Im fünften Paragraphen zeigt der Verf. mittels seines aus der Eulerschen Transformation hergeleiteten Fortsetzbarkeitskriteriums, daß die Potenzreihe \(\sum\limits_1^\infty {\nu}\,a_{m_\nu}x^{m_\nu}\) den Einheitskreis zur natürlichen Grenze hat, wenn \(\varlimsup\limits_{\nu=\infty}\root {m_{\nu}}\of {|a_{m_\nu}|}=1\) und \(\lim\limits_{\nu=\infty}\dfrac{m_\nu}{\nu}=\infty\) ist. Diesen Satz hatte zuerst Fabry, dann viel einfacher Faber bewiesen; der Beweis des Verf. bedeutet eine weitere Vereinfachung des Faber sehen Beweises.