Schwartz, Laurent Théorie des distributions et transformation de Fourier. (French) Zbl 0030.12601 Ann. Univ. Grenoble, Sect. Sci. Math. Phys., II. Ser. 23, 7-24 (1948). In einer der künftigen Entwicklung der Analysis neue Wege weisenden Arbeit “Généralisation de la notion de fonction, de dérivation, de transformation de Fourier et applications mathématiques et physiques” [Ann. Univ. Grenoble, Sect. Sci. Math. Phys., II. Sér. 21, 57–74 (1945; Zbl 0060.27504); in der Folge mit dem Verf. als A. G. 45 zitiert] hat der Verf. die klassische Analysis abgelöst durch die Theorie gewisser linearer Funktionale, in der viele Schwierigkeiten der Analysis, wie sie z. B. bei der Vertauschung von Grenzübergängen oder bei der Nichtdifferenzierbarkeit der Lösungen von Randwertproblemen usw. auftreten, völlig verschwinden und Begriffe wie die in der klassischen Analysis sinnlose Diracsche Funktion \(\delta(x)\) Bürgerrecht erhalten. In der gegenwärtigen Arbeit definiert der Verf. die Fourier-Transformation innerhalb der neuen Analysis, beweist die Analoga zu mehreren klassischen Sätzen über sie und wendet sie zur Lösung von partiellen Differentialgleichungen an. Da A. G. 45 bisher in diesem Zentralblatt nicht referiert wurde [vgl. Hinweis Zbl 0060.27504], seien einige Ergebnisse daraus, die in der Folge gebraucht werden, zusammengestellt. Die mathematische Wesenheit, die an die Stelle der Funktion tritt, ist die ,,Distribution”, das ist ein lineares, stetiges Funktional \(T(\varphi)\), das definiert ist für den Raum \((D)\) der Funktionen \(\varphi\) von \(n\) Variablen \(x_1, \ldots, x_n\), die unbeschränkt oft differenzierbar sind und außerhalb von beschränkten Mengen verschwinden. Jedem \(\varphi\) entspricht ein ,,Träger”, das ist diejenige kompakte Menge, deren Komplementärmenge die größte offene Menge ist, auf der \(\varphi = 0\). In \((D)\) wird eine Topologie so eingeführt: Eine Folge von Funktionen \(\varphi\) konvergiert gegen 0, wenn ihre Träger in einer festen kompakten Menge enthalten sind und sie ebenso wie ihre Ableitungen gleichmäßig gegen 0 streben. In diesem Sinne ist die Stetigkeit von \(T(\varphi)\) zu verstehen, d. h. wenn eine Folge \(\varphi_j\), in \((D)\) gegen 0 strebt, so soll \(T(\varphi_j)\)) gegen 0 streben. \(T\) hat auch einen ,,Träger”: das Komplement der größten offenen Menge mit der Eigenschaft, daß \(T(\varphi) = 0\) ist für jedes \(\varphi\), dessen Träger in dieser offenen Menge liegt. In dem Raum \((D')\) aller \(T\) wird ebenfalls eine Topologie eingeführt: Eine Folge \(T_j\) konvergiert gegen 0, wenn \(T_j(\varphi)\) für jedes \(\varphi\) gegen 0 konvergiert, und zwar gleichmäßig hinsichtlich jeder Menge von Funktionen \(\varphi\), deren Träger einer festen kompakten Menge angehören und mitsamt ihren Ableitungen gleichmäßig beschränkt sind. Einen speziellen Fall stellen die Distributionen dar, die den summierbaren Funktionen \(f(x)\) zugeordnet sind (wir nehmen in der Folge zwecks Vereinfachung die Dimensionszahl \(n\) gleich \(1)\): \(\int_{-\infty}^\infty f(x) \varphi(x) \,dx\) (Lebesguesches Integral) bzw. den Massenverteilungen \(\mu\): \(\int_{-\infty}^\infty \psi(x) \,d\mu\) (Stieltjes Integral). So entspricht z. B. der Diracschen Funktion (\(\delta\) bei der die Masse \(+1\) im Nullpunkt konzentriert ist, während der übrige Raum massenfrei bleibt, die Distribution \(\int_{-\infty}^\infty \varphi(x) \,d\delta = \varphi(0)\). Es ist charakteristisch für die neue Analysis, daß diese Distributionen den Funktionen \(f\) bzw. Massenverteilungen \(\mu\) nicht bloß zugeordnet, sondern mit ihnen geradezu identifiziert werden. So werden die (summierbaren) Funktionen und Verteilungen in die neuen Elemente der Analysis eingebaut in ähnlicherWeise, wie die reellen Zahlen in die komplexen. Es wird daher direkt f\(\int_{-\infty}^\infty f(x) \varphi(x) \,dx = f(\varphi)\) geschrieben. Die grundlegenden Operationen werden nun so definiert: Da der Ableitung \(f'\) die Distribution \(f'(\varphi) = \int_{-\infty}^\infty f'(x) \varphi(x) \,dx\) zugeordnet ist und sich durch partielle Integration ergibt: \(f'(\varphi) = f(-\varphi)\), so wird analog für beliebiges \(T\) die Definition der Ableitung so gewählt: \(T'(\varphi) = f(-\varphi')\), bei \(n\) Dimensionen \(T'_{x_i}(\varphi) = f(-\varphi'_{x_i})\). Daher ist jede Distribution, d. h. in der neuen Sprache: jede summierbare Funktion unbeschränkt oft differenzierbar. Die Ableitung ist i. allg. eine Distribution, manchmal eine Verteilung oder auch Funktion. So hat z. B. die Sprungfunktion \(y(x) = 0\) für \(x\le 0\), \(=1\) für \(x > 0\) die Diracsche Verteilung zur Ableitung: \[ y'(\varphi) = y(-\varphi') = -\int_0^\infty \varphi'(x)\,dx = \varphi(0) = \delta(\varphi)\quad\text{(vgl. oben)}. \] Weiter ist \(\delta'(\varphi) = \delta(-\varphi') = -\varphi(\theta)\) usw. Die Integration wird als Umkehrung der Differentiation definiert und ist ebenfalls stets möglich. Die Multiplikation mit einer unbeschränkt oft differenzierbaren Funktion \(\alpha\) wird definiert durch \(\alpha T(\varphi) = T(\alpha\varphi)\). Eine vorherrschende Rolle spielt in dieser Theorie die Operation der Faltung, die für klassische Funktionen \(f\), \(g\) durch \[ h(x) = f*g = \int_{-\infty}^\infty f(x-t) g(t)\,dt \] definiert ist. Im Anschluß an die Relation \[ h(\varphi) = \int_{-\infty}^\infty h(x) \varphi(x) \,dx = \iint_{-\infty}^\infty f(u) g(v) \varphi(u+v)\,du\,dv \] wird allgemein für zwei Distributionen \(S\) und \(T\) definiert: \[ [S * T] (\varphi) = S_u [T_v \varphi(u + v))].\] So ist z. B. \(\delta * T = T\), d. h. \(\delta\) ist der Einheitsoperator der Faltung. Von großer Wichtigkeit ist es, daß sich die Ableitung als Faltung darstellen läßt: \[ \frac{\partial T}{\partial x} = \frac{\partial\delta}{\partial x} * T, \] was in der klassischen Analysis nicht möglich ist. Da die Faltung kommutativ und assoziativ ist, lassen sich oft verwickelte Differentiationen ganz einfach darstellen. Ferner zeigt sich, daß die Ableitung eine lineare stetige Operation ist, d. h. wenn die Distributionen \(T_i\) gegen \(T\) \((T_i - T\) gegen 0) streben, so streben die \(DT_i\) gegen \(DT\), wo \(D\) eine Ableitung irgendwelcher Ordnung ist. Man kann daher jede konvergente Reihe, jedes uneigentliche Integral usw. unbedenklich unter dem Summen- oder Integralzeichen differenzieren. Daraus folgt, daß jedes Fourier-Integral \(\int_{-\infty}^\infty u(t) e^{ixt}\,dt\) mit \(u(t) = O(\vert t\vert^\alpha)\), \(\alpha >0\), konvergiert, d. h. daß \( f(x) = \int_{-A}^{+B} u(t)e^{ixt}\,dt\) im Raum der Distributionen gegen einen Grenzwert strebt für \(A\) und \(B\to\infty\). Denn \(\int_{-\infty}^\infty \frac{u(t)}{1+\vert t\vert^n} e^{ixt}\,dt\) \((n = \) ganze Zahl \(> \alpha + 1)\) konvergiert gleichmäßig, und das ursprüngliche Integral ist im wesentlichen die \(n\)-te Ableitung hiervon. So weit das Referat über die im folgenden gebrauchten Begriffe aus A. G. 45. Auf dieser Basis entwickelt der Verf. nun eine Theorie der Fourier-Transformation im Raum der Distributionen. Dazu muß allerdings der Raum \((D)\) der Distributionen erst passend eingeengt werden. Es sei \((S)\) der Raum der Funktionen \(\varphi(x_1,\ldots, x_n)\), die unbeschränkt oft differenzierbar sind und mitsamt ihren Ableitungen im Unendlichen schneller gegen 0 streben als jede Potenz von \(\frac1r\) \(r^2 = x_1^2+\ldots + x_n^2)\). In \((S)\) wird der Konvergenzbegriff so definiert: Eine Folge \(\varphi_j\) strebt gegen 0, wenn das Produkt aus jeder Ableitung von \(\varphi_j\) mit jedem Polynom gleichmäßig im \(x_1,\ldots, x_n\)-Raum gegen 0 strebt. \((D)\) ist ein Teilraum von \((S)\) und ist mit der Topologie, die durch die von \((S)\) induziert wird, dicht in \((D)\). Der Raum der linearen und stetigen Funktionale \(T(\varphi)\) mit \(\varphi\in (S)\) heißt der Raum \((S')\) der ,,sphärischen” Distributionen. Dabei bedeutet Stetigkeit von \(T(\varphi)\), daß für \(\varphi_j \to 0)\) auch \(T(\varphi_j)'\to 0\). \((S')\) ist ein Teilraum von \((D')\); damit ein \(T \in (D')\) auch \(\in (S')\) ist, ist notwendig und hinreichend, daß, wenn die \(\varphi_j\in (D)\) nach dem Konvergenzbegriff in \((S)\) gegen 0 streben, die \(T(\varphi_j)\) gegen 0 streben. Denn dann ist \(T\) auf dem dichten Teilraum \((D)\) von \((S)\) definiert und für die Topologie von \((S)\) stetig, also eindeutig in ein auf \((S)\) stetiges Funktional, d. h. in eine sphärische Distribution fortsetzbar. Die Konvergenz in \((S')\) wird so definiert: \(T_j\to 0\) in \((S')\), wenn \(T_j(\varphi)\to 0\) für jedes \(\varphi\in (S)\) und gleichmäßig hinsichtlich jeder Menge von Funktionen \(\varphi\), für die das Produkt aus jeder Ableitung mit jedem Polynom gleichmäßig beschränkt ist. Beispiel: Eine meßbare Funktion \(f(x)\) ,,von langsamem Wachstum”, d. h. \[ \int\cdots \int \frac{f(x_1,\ldots, x_n)}{(1+r^2)^k} \,dx_1\cdots dx_n < +\infty, \]definiert eine sphärische Distribution \[ \int\cdots \int f(x_1,\ldots, x_n) \varphi(x_1,\ldots, x_n)\,dx_1\cdots dx_n \]oder ,,ist” sphärisch. Eine sphärische Distribution besitzt sämtliche Ableitungen, und diese sind wieder sphärisch; die Differentiation ist eine in \((S')\) stetige Operation. Im folgenden sei zur Vereinfachung wieder die Dimension \(n\) gleich 1. Zu einer Funktion \(u(x) \in (S)\) existiert sicher die klassische Fourier-Transformierte \[ v(y) = \int u(x) \exp (-2\pi ixy) \,dx, \] und es ist \(v(y)\in (S)\). Es gilt die klassische Umkehrformel \[ u(x) = \int v(y) \exp (+2\pi ixy)\,dy. \] Ist \(U(x)\), \(V(y)\) ein weiteres Paar von durch die Fourier-Transformation zusammenhängenden Funktionen, so gilt nach der Parsevalschen Formel: \[ \int V(y) v(y) \,dy = \int U(x) u(-x) \,dx \] oder in der oben eingeführten funktionalen Schreibweise: \[ V(v(y)) = U(u(-x)). \] Ist nun \(U\) eine sphärische Distribution, so nimmt man diese Gleichung als Definition der Fourier-Transformierten \(V\) von \(U\). Die Fourier-Transformation \(\mathfrak F\) einer Distribution \(U\) entsteht also durch Vertauschung von \(\mathfrak F\) und \(U\): \[ \mathfrak F\{U\} = V(v(y)) = U (u(-x)) = U(\int v(y) \exp (-2\pi ixy) \,dy) = U(\mathfrak F\{v\}).\] \(V\) ist auch wieder eine sphärische Distribution. Wie in der klassischen Theorie gelten auch hier nur unter gewissen zusätzlichen Voraussetzungen die Faltungssätze \(\mathfrak F\{U_1 U_2\} = V_1 * V_2\) und \(\mathfrak F\{U_1 * U_2\} = V_1 V_2\). Setzt man z. B. \(U = \frac{\partial\delta}{\partial x}\), so ist \(V\) die der Funktion \(2\pi iy\) zugeordnete Distribution oder kurz \(V = 2\pi iy\). Aus der oben angeführten Formel \(\frac{\partial U}{\partial x} = \frac{\partial \delta}{\partial x} * U\) folgt daher auf Grund des Faltungssatzes: \[ \mathfrak F\{\frac{\partial U}{\partial x}\} = 2\pi iy \mathfrak F\{U\}, \] was das Analogon zu der bekannten klassischen Formel darstellt. Viele weitere klassische Sätze lassen sich übertragen, z. B.: Nennt man eine Distribution \(T\in (D')\) ,,von positivem Typus”, wenn \(T(\varphi(x) * \bar\varphi(-x)) \ge 0\) für alle \(\varphi\in (D)\), so ist diese Eigenschaft damit äquivalent, daß \(T\) sphärisch und seine Fourier-Transformierte eine positive Massenverteilung ist. Wie in der klassischen Theorie ist eine der wichtigsten Anwendungen der Fourier-Transformation die Integration von partiellen Differentialgleichungen, bei der aber jetzt viel umfassendere Resultate erscheinen. Ist \(D\) ein Polynom in \(\frac{\partial}{\partial x_1}, \ldots, \frac{\partial}{\partial x_n}\) mit konstanten Koeffizienten, so ist \(DT = 0\) eine partielle Differentialgleichung, die nach dem Obigen auch in der Form \(D\delta * T = 0\) geschrieben werden kann. Wird \(T\) als sphärisch, gleich \(U\), vorausgesetzt, so kann man die Fourier-Transformation anwenden und erhält nach dem Faltungssatz zu \(D\delta * U = 0\) das Abbild \(HV = 0\), wo \(H = \mathfrak F\{D\delta\}\) ein Polynom in \(y_1,\ldots, y_n\) ist. Hieraus lassen sich sofort einige Folgerungen ziehen. Da für \(V\ne 0\) gelten muß \(H = 0\), so liegt der Träger von \(V\) notwendigerweise auf der durch \(H(y_1,\ldots, y_n) = 0\) definierten Mannigfaltigkeit. Da aber diese das Volumen 0 hat, so kann \(V\) keine ,,Funktion” sein, außer wenn \(V = 0\) ist. Ist z. B. \(D = \Delta - \omega^2\) \((\omega\) reell \(\ne 0)\), so wird \(H = -4\pi^2r^2 - \omega^2\), und die Mannigfaltigkeit \(H = 0\) existiert nicht im Reellen. Die Gleichung \(\Delta T - \omega^2 T = 0\) hat also keine sphärischen Lösungen, also z. B. keine Lösung von langsamem Wachstum (siehe oben). Für \(D = \Delta\) wird \(H = -4\pi^2r^2\), \(H= 0\) hat nur den reellen Punkt \(r=0\), und die Lösungen von \(HV = 0\) sind punktförmige Massenverteilungen mit dem Nullpunkt als Träger. Ihre Fourier-Transformierten sind Polynome. Daher hat die Laplacesche Gleichung \(\Delta T = 0\) keine anderen sphärischen Lösungen als die gewöhnlichen harmonischen Polynome. Ist \(D = \delta + \omega^2\), so ist \(H = -4\pi^2r^2 + \omega^2\) und \(H = 0\) eine \(n\)-dimensionale Kugel. Da \(H = 0\) einen kompakten Träger hat, so ist jede sphärische Lösung von \(\Delta T + \omega T = 0\) nach dem Analogon zu einem bekannten Satz von Paley-Wiener eine ganze Funktion vom Exponentialtypus. Reviewer: G. Doetsch (Freiburg i. Br.) Page: −5 −4 −3 −2 −1 ±0 +1 +2 +3 +4 +5 Show Scanned Page Cited in 1 ReviewCited in 3 Documents MSC: 46Fxx Distributions, generalized functions, distribution spaces Keywords:distributions; Fourier transforms; derivations; application to partial differential equations Citations:Zbl 0060.27504 PDF BibTeX XML Cite \textit{L. Schwartz}, Ann. Univ. Grenoble, Sect. Sci. Math. Phys., n. Ser. 23, 7--24 (1948; Zbl 0030.12601) Full Text: Numdam EuDML OpenURL