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Ueber die Eigenschaften des Linienelementes der Flächen von constantem Krümmungsmass. (German) JFM 15.0637.01

Kronecker J. XCIV, 181-202 (1883); XCV, 325-329 (1883).
Die Theorie der aus kürzesten Linien auf Flächen mit constantem Krümmungsmass gebildeten Polygone hängt mit der Theorie der linearen gebrochenen Substitutionen einer unbeschränkt veränderlichen Grösse und mit der Theorie der linearen Differentialgleichungen zweiter Ordnung zusammen. Aus diesem Grunde beschäftigt sich der Herr Verfasser mit der Aufgabe, die geodätischen Linien einer Fläche constanter Krümmung aus einer gegebenen Form des Linienelementes zu bestimmen, und sucht die Beziehungen auf, in welchen dieselbe zur Theorie der linearen Differentialgleichungen zweiter Ordnung steht. Zunächst wird ein wesentlicher Unterschied zwischen den auf Rotationsflächen abwickelbaren Flächen mit nicht constantem Krümmungsmass und den Flächen mit constantem Krümmungsmass, die ja auch auf Rotationsflächen abwickelbar sind, besprochen. Auf ersteren hängt die Aufsuchung der kürzesten wesentlich damit zusammen, dass man die Curven constanten Krümmungsmasses, welche sich jederzeit bestimmen lassen, nebst ihren Orthogonalen zu Parametercurven wählen kann. Diese Bestimmung wird aber bei Flächen constanten Krümmungsmasses illusorisch. Es muss daher für diese Flächen ein anderer Weg eingeschlagen werden. Nun lässt sich aber das Quadrat des Linienelementes von der Form \[ ds^2 = Edp^2+ 2Fdpdq + Gdq^2, \] wenn das Krümmungsmass \(k\) constant ist, stets durch Uebergang zu geodätischen Polarcoordinaten in die Form bringen \[ ds^2=d\sigma^2 + \left[\frac {\sin \sigma\sqrt{k}}{\sqrt{k}}\right]^2d\tau^2, \] und diese entsteht auch durch die Substitutionen \(\vartheta\) und \(\vartheta^*\), wo \[ \vartheta=\frac 12\sqrt{k}\;\text{tg}\;\left(\frac{\sigma\sqrt{k}}{\sqrt{k}}\right)\;e^{\tau i}, \] \(\vartheta^*\) gleich dem conjugirten Ausdruck, aus der Form \[ \frac{d\vartheta\,d\vartheta^*}{\left(\frac k4+\vartheta\vartheta^*\right)^2}\;. \] Diese letztere Form aber geht, wenn man die complexen Constanten \(a\), \(b\), \(c\) in passender Weise bestimmt, durch die linearen Substitutionen \[ \vartheta=\frac{a\theta+b}{\theta+c}\,,\quad \vartheta^*=\frac{a^*\theta^*+b^*}{\theta^*+c^*} \] in die Form über \[ \frac{d\theta\,d\theta^*}{\left(\frac{k}{4}+\theta\theta^*\right)^2}\, , \] wodurch der Zusammenhang mit der Theorie der linearen Substitutionen erkannt wird. Der Herr Verfasser beweist nun den Satz: Eine complexe Function \(\vartheta\), welche in Verbindung mit ihrer conjugirten \(\vartheta^*\) die Transformation des Quadrates des Linienelementes einer Fläche constanter Krümmung \((k)\) \[ E dp^2+ 2Fdp\, dq + Gdq^2, \] in die Form \[ \frac{d\vartheta\,d\vartheta'}{\left(\frac k4+\vartheta\vartheta'\right)^2} \] herbeiführt, erfüllt folgende Bedingung. Setzt man \[ \frac{\partial \vartheta}{\partial p}=\frac{1}{V^2} \] und \[ \alpha= \frac{\left(\frac{\partial F}{\partial p}-\frac 12\,\frac{\partial E}{\partial q}\right)-\frac 12\,\frac{\partial E}{\partial p}\,\frac {F+i\sqrt{EG-F^2}}{E}}{\sqrt{EG-F^2}}\,, \] so genügt \(V\) der gewöhnlichen linearen Differentialgleichung zweiter Ordnung \[ \text{(VII)}\quad \frac{\partial ^2 V}{\partial p^2}+ V\left[\frac{Ek}{4}+\frac{\alpha^2}{4}+\frac{i}{2}\;\frac{\partial \alpha}{\partial p}\right]=0, \] so dass \(\vartheta\) selbst einer leicht aufzustellenden Differentialgleichung dritter Ordnung genügt. Es ist ausserdem \[ \text{(IV)}\quad \varrho\;\frac{\partial V}{\partial p}-\frac{\partial V}{\partial q}=\frac{1}{2}\;V\;\frac{\partial \varrho}{\partial p}\,. \] Analog verhält sich die Function \(\vartheta\) in Bezug auf \(q\).
Die Function \(V\) aber genügt auch einer linearen Differentialgleichung in Bezug auf die Variable \(q\).
Da nun das oben ausgedrückte Quadrat des Linienelementes in die Form \[ E(dp + \varrho dq) (dp + \varrho^*dq) \] gebracht werden kann, und da in Folge der Gleichung \[ d\vartheta=\frac{dp+\varrho dq}{V^2} \] der Ausdruck \(\frac{1}{V^2}\) einen integrirenden Factor der Differentialgleichung \[ dp + \varrho dq = 0 \] darstellt, so ist die Aufsuchung des integrirenden Factors dieser letztern von der Auflösung einer linearen Differentialgleichung zweiter Ordnung abhängig, deren Coefficienten durch \(E\), \(F\), \(G\) bestimmt sind. Es wird dann weiter gezeigt, dass ein einzelnes particuläres Integral von (VII), welches zugleich der Bedingung (IV) genügt, hinreichend ist, um ohne weitere Quadratur die oben verlangte Transformation auszuführen , also die Function \(\theta\) zu bestimmen. Alsdann aber findet man durch die Substitutionen \[ \vartheta =\frac{a^*\theta-b^*\,\frac k4}{b\theta+a}\,,\quad \vartheta^*= \frac{a\theta^*-b\,\frac k4}{b^*\theta^*+a^*}\,, \] wo \(a\) und \(b\) willkürliche complexe Constante bedeuten, immer wieder Functionen, welche der gestellten Bedingung genügen. In der Entwickelung kommt eine Function \(\xi\) vor, welche bestimmt ist durch die Gleichung \[ \xi = -\,\frac{2\vartheta^*}{\frac k4 + \vartheta\vartheta^*}\,, \] und für welche der folgende Ausdruck gewonnen wird \[ \text{(VI)}\quad \xi =V\left(2\;\frac {\partial V}{\partial p} + \alpha iV\right). \] Diese Function besitzt nun eine Reihe wichtiger Eigenschaften, welche der Herr Verfasser aus einer etwas allgemeineren Betrachtung herleitet. Sind nämlich \(A\), \(B\), \(C\) beliebig gegebene Functionen von \(p\) und \(q\), und sind die Functionen \(V\), \(\beta\), \(\gamma\), \(\delta\) so bestimmt, dass \[ \text{(IX)}\quad \frac{\partial^2V}{\partial p^2} = \delta V, \]
\[ \text{(X)} \quad \frac{\partial V}{\partial q}=\beta\;\frac{\partial V}{\partial p}+\gamma V \] ist, und setzt man \[ \xi = A\left(\frac{\partial V}{\partial p}\right)^2 + 2B_1\;\frac{\partial V}{\partial p}\;V + CV^2, \] so lassen sich für die ersten und zweiten Ableitungen Ausdrücke von derselben Form entwickeln, z. B.: \[ \frac{\partial \xi}{\partial p} = A_1\left(\frac{\partial V}{\partial p}\right)^2+ 2B_1\;\frac{\partial V}{\partial p}\;V+ C_1 V^2, \]
\[ \frac{\partial^2 \xi}{\partial p^2} = A_{1,1}\left(\frac{\partial V}{\partial p}\right)^2+ 2B_{1,1}\;\left(\frac{\partial V}{\partial p}\right)V+ C_{1,1} V^2, \] wo die Coefficienten \(A_i\), \(B_i\), \(C_i\), \(A_{i,k}\), \(B_{i,k}\), \(C_{i,k}\) aus gegebenen Functionen und ihren ersten Ableitungen zusammengesetzt sind. Berechnet man aus den drei ersten dieser Gleichungen linear \(\left(\frac{\partial V}{\partial p}\right)^2\), \(\left(\frac{\partial V}{\partial p}\;V\right)\), \(V^2\) und setzt dann das Product der beiden äusseren dem Quadrat der mittleren gleich, so ergiebt sich eine Gleichung von der Form \[ F\left(\xi,\;\frac{\partial \xi}{\partial p}\,,\frac{\partial \xi}{\partial q}\right)= 0, \] wo \(F\) eine homogene ganze Function des zweiten Grades bedeutet, deren Coefficienten gegebene Functionen von \(p\) und \(q\) sind. Setzt man ferner dieselben Werte in die drei letzten Gleichungen, so erhält man die drei partiellen Differentialgleichungen \[ \text{(XI)}\quad \left\{\begin{aligned} & \frac{\partial^2\xi}{\partial p^2}+M\;\frac{\partial \xi}{\partial p}+ N\;\frac{\partial \xi}{\partial q} + P\xi = 0,\\ & \frac{\partial^2\xi}{\partial p\partial q}+M'\;\frac{\partial \xi}{\partial p}+ N'\;\frac{\partial \xi}{\partial q} + P'\xi = 0,\\ & \frac{\partial^2\xi}{\partial q^2}+M''\;\frac{\partial \xi}{\partial p}+ N''\;\frac{\partial \xi}{\partial q} + P''\xi = 0,\end{aligned}\right. \] deren Integrabilitätsbedingungen identisch erfüllt sind. Da aber diesem System durch jede Function \(\xi\) genügt wird, welche mit \(V\) in der angegebenen Weise zusammenhängt, so darf man auch statt \(V\) einsetzen \(V+mW\), wo \(W\) ein zweites Integral der Gleichungen (IX) und (X) bedeutet, und es ergeben sich für die Gleichungen (XI) drei linear von einander unabhängige Integrale (die notwendige und hinreichende Zahl): \[ \begin{aligned} & \xi = A\left(\frac{\partial V}{\partial p}\right)^2+2B\;\frac{\partial V}{\partial p}\;V + CV^2,\\ & \eta = A\left(\frac{\partial W}{\partial p}\right)^2+2B\;\frac{\partial W}{\partial p}\;W + CW^2,\\ & z = A\;\frac{\partial V}{\partial p}\cdot \frac{\partial W}{\partial p}+B\left(W\;\frac{\partial V}{\partial p} + V\;\frac{\partial W}{\partial p}\right)+CVW,\end{aligned} \] zwischen denen noch eine Relation besteht, welche in Folge der linearen Gleichung zweiter Ordnung (IX) in die Form gebracht werden kann: \[ \xi\eta -z^2 = (AC-B^2)f(q)^2. \] Wendet man diese allgemeinen Relationen auf den vorliegenden Fall an, so wird \[ \delta = -\left(\frac {kE}4 + \frac{\alpha^2}{4}+ \frac i2 \frac {\partial \alpha}{\partial p}\right)\,\quad \beta=\varrho,\quad \gamma=-\frac12\;\frac{\partial \varrho}{\partial p}\,, \]
\[ A=0,\quad B=1,\quad C=\alpha i; \] und wählt man \[ W= \frac{1}{\sqrt{E}}\left[\frac{\partial V^*}{\partial p} - \frac{\alpha^*i}{2}\;V^*\right]\,, \] so erhält man für die drei linear unabhängigen Integrale nach einiger Rechnung \[ \xi = 2VW^*\sqrt{E},\quad \eta = -\tfrac k2 V^*W\sqrt{E}, \]
\[ z = \left(WW^*-\tfrac k4VV^*\right)\sqrt{E}\,, \] zwischen welchen die lineare Relation besteht \[ z^2-\xi\eta = 1. \] Die weitere Ausführung dieser Rechnungen führt nun zu einer Reihe von Eigenschaften, denen die in Rede stehenden Functionen genügen, u. a. zu dem Resultat, dass durch die Gleichung \(z = 0\) ein Integral der Differentialgleichung der geodätischen Linien der Flächen constanter Krümmung dargestellt wird, wenn \[ ds^2 = Edp^2+ 2Fdp \,dq + Gdq^2. \] Nach diesen Vorbereitungen lassen sich dann die geodätischen Linien vollständig darstellen. Die zweite Abhandlung enthält noch einige weitere Ausführungen, die sich auf die hier vorkommenden linearen partiellen Differentialgleichungen zweiter Ordnung beziehen.

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Full Text: DOI Crelle EuDML