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Introduzione alla geometria sopra le superficie algebriche. (Italian) JFM 27.0518.02

Memorie della Società Italiana delle Scienze (detta dei XL) (3) 10, 1-81 (1896).
Der Zweck dieser Abhandlung besteht darin, die Grundzüge einer ganz allgemeinen Theorie der linearen Systeme algebraischer Curven auf einer algebraischen Fläche festzustellen. Die vorliegende Arbeit ist also eine Fortsetzung der “Ricerche di geometria superficie algebriche” desselben Verf. (Torino Mem. (2) 44; vergl. F. d. M. 25, 1212, 1893/94, JFM 25.1212.02). Die neue Abhandlung stellt jedoch eine beträchtliche Vervollkommnung der älteren dar.
Um seinen Zweck zu erreichen, muss der Verf. zuerst einige Begriffe der Geometrie betreffs einer algebraischen Fläche bestimmen, verallgemeinern oder modificiren. Statt von einer Fläche zu sprechen, zieht er es vor, ein “algebraisches Gebilde \(\infty^2\)” zu studiren, welches die ganze Klasse der Fläche darstellt, die aus einer Fläche durch birationale Transformation ableitbar sind; in Folge dessen muss er exacte Erklärungen geben und unzweideutige Uebereinkünfte über die Curven auf einem algebraischen Gebilde und über die Curvensysteme festlegen. Besonders wichtig sind die Systeme aus \(\infty^2\) algebraischen Curven eines algebraischen Gebildes, von denen nur eines durch \(r\) Punkte der Gebilde geht, und welche sich in eine eindeutige Beziehung mit den erzeugenden Elementen eines linearen Raums \(R_r\) setzen lassen: es sind die linearen Systeme. Ein solches System besitzt drei (gegen birationale Transformationen) invariante Zahlen, nämlich die Dimension \(r\), den Grad \(n\) (\(n\) = Anzahl der beweglichen Durchschnittspunkte zweier Curven des Systems) und das Geschlecht \(\pi\) (\(\pi\) = Geschlecht einer Curve des Systems); man hat immer \(n\geqq r-1\). Eine besondere Betrachtung verdienen die reducibeln und die teilweise in anderen enthaltenen Systeme. Ferner spielen eine wichtige Rolle in der Theorie der linearen Systeme die Fundamentalcurven eines derselben; jede ist eine solche Curve, dass die Bedingung, dass eine Curve des Systems dieselbe enthalte, nur eine einfache Bedingung ist. Es ist vorteilhaft, die Punkte der Gebilde unter die Fundamentalcurven einzureihen; und das System heisst singulär oder nicht-singulär, je nachdem es singuläre Curven hat oder nicht, ausser den Punkten der Gebilde. Dass jedes algebraische Gebilde \(\infty^2\) nicht-singuläre Systeme enthält, ist eine Folge der vom Verf. vorausgesetzten Transformirbarkeit jeder algebraischen Fläche in eine zweite mit nur gewöhnlichen Singularitäten.
Unter den linearen Curvensystemen sollen bemerkt werden die normalen, denen das II. Kapitel der vorliegenden Abhandlung gewidmet ist, und denen die folgende Erklärung zukommt: “Ein lineares irreducibles Curvensystem, dessen Grad \(n > 0\) ist, heisst normal (oder auch vollkommen in Bezug auf seinen Grad), wenn es in keinem höheren irreduciblen linearen System desselben Grades \(n\) enthalten ist; ein irreducibler Büschel soll immer als normal betrachtet werden”. Jedes lineare System ist in einem unzweideutig bestimmten normalen System enthalten. Sind ferner \(| C_1|\) und \(| C_2|\) zwei beliebige normale Curvensysteme desselben algebraischen Gebildes \(\infty^2\), welches ein nicht zusammenfallendes Gebüsch sei, so existirt immer ein unzweideutig bestimmtes irreducibles Normalsystem \(| C|\), welches alle Curven \(C_1+C_2\) enthält; es wird durch den Namen Summe von \(| C_1|\) und \(| C_2|\) und durch das Symbol \(| C_1+C_2|\) bezeichnet; \(| C_1|\) und \(| C_2|\) sind beide das Residuum des anderen in Bezug auf \(| C|\). sind \(n\), \(n_1\), \(n_2\) die Grade der Systeme \(| C|\), \(| C_1|\), \(| C_2|\) und \(i\) die Zahl der beweglichen Durchschnittspunkte einer \(C_1\) und einer \(C_2\), so hat man \(n= n_1+n_2+2i\). Ist insbesondere \(| C|\) ein Curvensystem ohne feste Teile, so heisst das System \(| C+C|\) das doppelte von \(| C|\) und wird durch \(| 2C|\) bezeichnet. Schreibt man \(| C| = | C_1| + | C_2|\) oder resp. \(| 2C| = | C| + | C|\), so bekommt man die Grundzüge einer Symbolik, welche durch den Verf. vielfach und geschickt benutzt wird. Wir wollen hier bemerken, dass er auch den Begriff der (arithmetischen) Congruenz einführt, indem er \(| C| \equiv | \overline C|\) schreibt, falls die Systeme \(| C|\) und \(| \overline C|\) dieselben Grundpunkte besitzen. Die Sätze, welche als Basis dieser Symbolik dienen, können auch auf reducible Systeme ausgedehnt werden, wenn man vorher den Begriff des Normalsystems verallgemeinert hat. Dieses vorausgesetzt, ist der Verf. in der Lage, das folgende sehr wichtige Theorem (welches den ersten Teil des Restsatzes bildet) zu beweisen: “Auf einem algebraischen Gebilde \(\infty^2\) habe man ein lineares Normalsystem \(| C_2|\), dessen Dimension \(r \geqq 2\) ist, und ein zweites, in dem ersten enthaltenes lineares Normalsystem \(| C_1|\); wenn \(| C_1|\) als Residuum \(| C|\) hat in Bezug auf \(| C_2|\), so ist umgekehrt \(| C_1|\) das Residuum von \(| C|\) noch in Bezug auf \(| C_2|\), \(| C|\) und \(| C_1|\) sind daher Residua von einander in Bezug auf \(| C_2|\).” Bemerken wir jetzt, dass man in jedem linearen Curvensystem eine neue Zahl zu betrachten hat, welche immer ganz ist, nämlich den virtuellen Grad. Ist das System irreducibel, so ist der virtuelle Grad gleich dem wirklichen Grad; im entgegengesetzten Falle wird er mit Hülfe des folgenden Satzes bestimmt: “Sind \(n_1\) und \(n_2\) die virtuellen Grade der linearen Systeme \(| C_1|\) und \(| C_2|\), und ist \(i\) die Zahl der beweglichen Durchschnittspunkte einer \(C_1\) und einer \(C_2\), so ist \(n_1+n_2+2i\) der virtuelle Grad des Systems \(| C_1+C_2|\)”. Da nach Noether (Acta Math. 8; vgl. F. d. M. 18, 745, 1886, JFM 18.0745.01), wie man sich erinnert, bei den isolirten Curven ein virtuelles Geschlecht zu betrachten ist, muss man ein solches auch bei den Curvensystemen betrachten; nur wenn ein System irreducibel ist, so decken sich virtuelles und wirkliches Geschlecht.
Das folgende (dritte) Kapitel hat als Gegenstand die einfachen irreducibeln Linearsysteme vom Geschlechte \(\pi > 0\), welche keinen Büschel von einschneidenden Curven des algebraischen Gebildes besitzen. Nennen wir mit dem Verf. Reihe \(g_{2\pi-2+rn}\) die Vollschar, welche man auf einer beliebigen Curve \(C\) durch die folgende Methode erhält: wenn \(\pi > 0\) und \(r \geqq 0\), durch die Addition der kanonischen Reihe \(g^{\pi-1}_{2\pi-2}\) mit der \(r\)-fachen charakteristischen Reihe \(g_n\); wenn \(\pi > 0\) und \(r- \varrho < 0\), durch die Substraction aus der besagten Reihe \(g^{\pi-1}_{2\pi-2}\), der \(\varrho\)-fachen (speciell vorausgesetzten) \(g_n\); wenn endlich \(\pi = 0\) und \(r > 0\), durch die Betrachtung aller Gruppen von \(rn-2\) Punkten von \(C\). Diese Erklärung vorausgesetzt, wird eine Curve \(K_r\) des algebraischen Gebildes subadjungirt vom Range \(r\) zum Normalsystem \(| C|\), wenn sie die Curven \(C\) eines Büschels in Gruppen der Reihe \(g_{2\pi-2+rn}\) schneidet und durch keinen der Basispunkte des Büschels geht, welcher nicht durch Fundamentalpunkte des Systems \(| C|\) geht. Die Eigenschaften und auch die Wichtigkeit der subadjungirten Curven muss der Leser in der Originalarbeit selbst kennen lernen. Nur sei bemerkt, dass Enriques dieselben (im IV. Kapitel) benutzt, um in vollkommener Allgemeinheit (d. h. in einer Weise, die nicht einmal unendlich nahe Fundamentalcurven ausschliesst) die adjungirten Curven zu definiren und die Eigenschaften derselben zu begründen; auf diesem Wege begründet der Verf. wichtige Eigenschaften und studirt die linearen Systeme, welche Büschel von einschneidenden Curven besitzen.
Im Anfange des V. Kapitels, welches den adjungirten Flächen gewidmet ist, lernt man eine neue Erklärung dieser Flächen kennen, welche sich mit der Noether’schen (Götting. Nachr. 1871; F. d. M. 3, 193, 1871, JFM 03.0193.02) deckt, falls die gegebene Fläche nur gewöhnliche Singularitäten besitzt, aber mit der Enriques’schen (vergl. die oben angeführten “Ricerche”), wenn dieselbe nur verschiedene isolirte Punkte besitzt. Durch Anwendung der neuen Erklärung bekommt der Verf. einen durch ein anderes Verfahren schon bewiesenen Lehrsatz (Humbert, Math. Ann. 45; vgl. F. d. M. 25, 1227, 1893/94, JFM 25.1227.02); er wendet dann dieselbe auf Regelflächen an; ferner erhält er den Noether’schen Satz über die adjungirten Flächen einer Raumcurve (Math. Ann. 8), den zweiten Teil des Restsatzes, u. s. w.
Was in den fünf ersten Kapiteln der “Introduzione” dargelegt ist, setzt den Verf. in die Lage, mit voller Allgemeinheit die Invariantencharaktere einer Fläche zu behandeln. Zuerst führt er das (geometrische) Flächengeschlecht (\(p_g\) oder) \(p\) durch eine Definition ein, welche von den bekannten (von Clebsch, Noether, Enriques) verschieden ist und den Vorteil besitzt, an keine einschränkenden Bedingung gebunden zu sein. Auf neue Charaktere kommt man durch die Betrachtung der bikanonischen Curven einer Fläche; dieselben bilden ein Linearsystem, dessen Dimension \(r\) invariant gegen birationale Transformationen ist; \(r+1\) ist ein neuer Charakter, welcher Bigeschlecht genannt und durch \(P\) bezeichnet wird. Im allgemeinen ist \(P=2p\); es giebt aber Fälle (zwei werden vom Verf. angeführt), in denen diese Beziehung nicht statt hat. – Das Flächengeschlecht spaltet sich in zwei, das geometrische \(p_g\) und das numerische \(p_n\); das erstere ist die Zahl \((\geqq 0)\) der linear unabhängigen Flächen der Ordnung \(n-4\) zu einer (in der Ordnung \(n\) vorausgesetzten) Fläche; das zweite aber ist der Wert \((\gtreqqless 0)\), den die Formel liefert, welche die Zahl der linear unabhängigen adjungirten Flächen der Ordnung \(\nu\) giebt (\(\nu\) über einer gewissen Grenze vorausgesetzt), im Falle dass \(\nu = n-4\) ist. \(p_g\) ist immer gleich \(p\) und im allgemeinen gleich \(p_n\); es giebt aber Fälle, wo \(p_g > p_n\) ist. – Endlich begegnen wir dem Noether’schen Flächengeschlecht \(p^{(1)}\), wie auch einem anderen Invariantcharakter \(p^{(2)}\), welcher mit dem vorigen durch die Gleichung \(p^{(2)} = p^{(1)} - 1\) verbunden ist: diese Beziehung wird vom Verf. durch seine Methode in voller Allgemeinheit bewiesen.
In einem Anhange der sehr wichtigen Arbeit macht Enriques einen Vergleich zwischen den Grundzügen der gegenwärtigen Arbeit und derjenigen seiner älteren “Ricerche”; er kommt zu der Folgerung, dass die Resultate, welche in Kapiteln IV, V und VI der “Ricerche” auseinandergesetzt sind, auf alle algebraischen Gebilde anwendbar sind, welche der Bedingung \(p_g=p_n\) genügen (es sind diejenigen, welche in Flächen ohne Ausnahmecurven transformirt sind), deren kanonisches System irreducibel ist.