Carnap, R. Physikalische Begriffsbildung. (German) JFM 52.0054.04 IV \(+\) 65 S. Karlsruhe, Braun (Wissen und Wirken Bd. 39) (1926). Die Physik hat dem Verf. zufolge die Aufgabe, die sinnlich wahrnehmbaren Gegenstände begrifflich zu behandeln, d. h. die Wahrnehmungen systematisch zu ordnen und aus vorliegenden Wahrnehmungen Schlüsse auf zu erwartende Wahrnehmungen zu ziehen.In einem ersten Abschnitt, der der qualitativen Stufe der physikalischen Begriffsbildung gewidmet ist, wird ausgeführt, daß alle physikalischen Aussagen Ausdrücke von Bedingungsverhältnissen zwischen Zuständen oder Vorgängen sind und also die Form “wenn \(\ldots\), so \(\ldots\)” haben. Von “Induktion” wird gesprochen, wenn aus einoder mehrmaliger Beobachtung eines gewissen Bedingungsverhältnisses auf seine allgemeine Gültigkeit geschlossen wird. Besteht zwischen zwei Vorgängen ein Bedingungsverhältnis derart, daß der erste hinreichende Bedingung für den zweiten ist, so sagt Verf., “sie stehen im Wirkungsverhältnis zueinander”. (Der hierfür gemeinhin verwendete Terminus der “Ursache-Wirkung-Beziehung” birgt die Gefahr in sich, Begleitvorstellungen zu erzeugen, die über den eben beschriebenen Sachverhalt hinausgehen.)Der zweite Abschnitt behandelt die quantitativen Begriffe der Physik. Es stellt sich heraus, daß den Anlaß für die Einführung einer physikalischen Größenart (z. B. der Temperatur) stets ein erfahrungsmäßiger Befund von der Art gibt, daß zwischen den Körpern bzw. Vorgängen zwei Beziehungen bestehen: 1. eine transitive, symmetrische, 2. eine transitive, asymmetrische (z. B. 1. gleiche Wärmeempfindung erzeugend, 2. geringere Wärmeempfindung erzeugend). Jenachdem ob nun ein Körper (oder Vorgang) zu einem andern in der ersten oder der zweiten Beziehung steht, wird ihm die gleiche oder eine kleinere Zahl zugeschrieben. Die Metrik einer so eingeführten Größenart beruht nun nicht auf Erfahrung, sondern auf Festsetzung; und zwar müssen die Form der Meßskala (Gleichheit verschiedener Skalenstrecken), ihr Nullpunkt und ihre Einheit vereinbart werden.Sind so z. B. die notwendigen Festsetzungen über den Längenbegriff getroffen, so wird die Frage, ob unser Kaum euklidische oder nichteuklidische Struktur hat, zu einer Erfahrungsfrage. Ferner wurde früher z. B. als selbstverständlich angesehen, was “gleichzeitig” sei; erst die Relativitätstheorie bemerkte, daß hier eine Definition angegeben werden muß.Ein kurzer dritter Abschnitt ist der vierdimensionalen Raum-Zeit-Welt und der Formulierung des Kausalprinzips gewidmet.Besprechungen: T. Sexl, Monatshefte f. Math. 35 (1928), 71-72; Hahn, Unterrichtsblätter 33 (1927), 224; R. Dögel, Physikal. Z. 28 (1927), 698-699. Reviewer: Helmer, O., Dr. (London) JFM Section:Erster Abschnitt. Geschichte, Philosophie und Pädagogik. Kapitel 2. Philosophie. PDF BibTeX XML OpenURL