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Ueber die Fadenconstruction des Ellipsoids. (German) JFM 18.0583.02

Die bekannte Fadenconstruction des Ellipsoids ist von Herrn Staude durch Betrachtung gewisser hyperelliptischer Integrale vermittelt (F. d. M. XV. 1883. 689, JFM 15.0689.03). Der Herr Verfasser hat, auf Anregung des Herrn Brill, diese Construction auf gewisse allgemeine geometrische Betrachtungen zurückgeführt.
Den Ausgangspunkt bildet ausser dem bekannten Malus’schen Satz folgender Satz des Herrn Weingarten (Borchardt J. LXII.). Spannt man über eine Fläche senkrecht gegen eine Curve auf derselben eine Schar biegsamer Fäden, die also die Form von Kürzesten haben, und denen man von der Curve an gleiche Längen giebt, so erzeugen die Endpunkte dieser Fäden bei ihrer Abwickelung eine Fläche (Wellenfläche), von welcher die gegebene Fläche die eine Mittelpunktsfläche (Brennfläche) ist. Haben die geodätischen Linien eine Enveloppe, so vereinfacht sich die Sache bedeutend, man kann alsdann die ganze Wellenfläche mittels eines einzigen Fadens construiren. Die zweite Brennfläche schneidet in diesem Falle die erste längs der Enveloppe rechtwinklig. Hieran schliesst sich nun die Construction einer spiegelnden Fläche, durch die ein Normalensystem in ein anderes übergeführt wird. Es ist bequem, zunächst von jedem Normalensystem zu einer seiner Brennflächen überzugehen, und man kommt dann schliesslich auf das folgende einfache Gesetz. Gegeben seien zwei Flächen \(A\) und \(B\), auf jeder von ihnen eine Curve bez. \(k_1\) und \(k_2\) und die Schar der geodätischen Linien, die dieselben berühren. Man denke sich einen Faden von constanter Länge mit seinen Endpunkten in \(k_1\) und \(k_2\) gefestigt und so gespannt, dass je ein Teil auf den Curven \(k_1\) und \(k_2\) liegt, je ein Teil auf \(A\) und \(B\) als geodätische Tangente von \(k_1\) und \(k_2\), und die beiden übrigen Teile geradlinig im Raume verlaufen. Dann ist der geometrische Ort des Knickpunktes eine Fläche, deren Normale den Winkel der beiden geradlinigen Fadenteile halbirt, so dass durch sie als spiegelnde Fläche die beiden Strahlen in einander reflecirt werden, und zwar giebt es eine einfach unendliche Schar solcher Flächen. Eien andere, bereits bekannte Eigenschaft dieser Fläche ist, dass die der Ort der Punkte ist, für welche die Summe oder die Differenz der Abstände von zwei Wellenflächen constant ist, deren jede dem einen der beiden Strahlensysteme zugehört.
Um nun zu der Construction des Ellipsoides zu kommen, nimmt der Herr Verfasser als Brennflächen ein Ellipsoid \(E\) und ein Hyperboloid \(H\), deren gemeinsame Tangenten, wie leicht erkannt wird, in der That ein Normalsystem bilden. Durch jeden Punkt \(P\) des Raumes gehen vier Strahlen, die Schnitte der beiden Tangentenkegel von \(P\) an die beiden Brennflächen. Legt man durch \(P\) eine confocale Fläche als spiegelnde Fläche, so wird jeder dieser vier Strahlen in einen der andern, also das ganze Strahlensystem in sich selbst reflectirt, und hieraus folgt dann die Construction: Man befestigt einen Faden von constanter Länge mit jedem seiner Endpunkte auf je einem Zweige einer Krümmungslinie von \(E\), legt erst je einen Teil in passender Richtung auf die Krümmungslinie, setzt jeden dieser Teile fort durch je eine berührende Kürzeste und endlich durch eine Gerade. Dann ist der Ort des Knickpunktes, in welchem die beiden Geraden zusammentreffen, ein dem ersten confocales Ellipsoid. Es werden dann noch einige metrische Eigenschaften der orthogonalen Trajectorien der ausgezeichneten Kürzesten, welche die betreffende Krümmungslinie berühren, besprochen, und so ergiebt sich der Zusammenhang mit der Staude’schen Construction. Im äussersten Grenzfall kann man das Ellipsoid und das confocale Hyperboloid durch die Grenzkegelschnitte ersetzen und gelangt so zu demjenigen Strahlensystem, dessen Wellenflächen, wie bekannt, die Cykliden sind, über die sich ebenfalls einige interessante Resultate ergeben.

Citations:

JFM 15.0689.03
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