Hilbert, D. On the Dirichlet principle. (Über das Dirichletsche Prinzip.) (German) JFM 32.0423.03 Sonderabdruck a. d. Festschr. zur Feier des 150jähr. Best. d. K. G. d. W. zu Göttingen. 27 S. (1901). Unter dem Dirichletschen Prinzip versteht der Verf. diejenige Schlußweise auf die Existenz einer Minimalfunktion, welche Gauß (1839), Thomson (1847), Dirichlet (1856) und andere Mathematiker zur Lösung sogenannter Randwertaufgaben angewandt haben, und deren Unzulässigkeit zuerst von Weierstraß erkannt worden ist. Seine Absicht ist, an dem klassischen Beispiel der Frage nach der Existenz überall endlicher Integrale auf einer vorgelegten Riemannschen Fläche, die Riemann durch das Dirichletsche Prinzip zu beweisen versucht hat, darzulegen, “wie die modernen Hülfsmittel der Analysis und insbesondere der Variationsrechnung imstande sind, den der geometrischen und physikalischen Anschauung entnommenen Grundgedanken des Prinzips in genauem Anschlußan die anschauliche Bedeutung desselben derart zu verfolgen, daßaus demselben ein streng mathematischer Beweis für die Existenz der Minimalfunktion entsteht.”In dem ersten Paragraphen wird die Aufgabe dahin präzisiert, daßdie Existenz einer Potentialfunktion \(u(x, y)\) auf der vorgelegten Riemannschen Fläche \(F\) nachgewiesen werden soll, die sich in allen Punkten dieser Fläche \(F\) einschließlich der unendlich fernen Punkte und der Verzweigungspunkte regulär verhält und überdies beim Übergange über eine gegebene Unstetigkeitskurve \(C\) den Sprung 1 erleidet; die Kurve \(C\) soll dabei ein Polygonzug sein, der aus geradlinigen, teils zur \(x\)-Achse, teils zur \(y\)-Achse parallelen Stücken besteht und der im Endlichen verläuft, keinen Verzweigungspunkt trifft und, ohne die Fläche \(F\) zu zerstückeln, in sich zurückkehrt. Der eigentlichen Untersuchung sind in \(\S\S\) 2, 3, 4 einige einfache Hülfssätze vorausgeschickt. Der erste behandelt gewisse Ungleichheiten zwischen bestimmten Integralen; der zweite bezieht sich auf die gleichmäßige Konvergenz von unendlichen Funktionenreihen \(v_1, v_2, .\dots\) gegen eine Grenzfunktion; der dritte besagt, daßdas über ein Rechteck \(R\), dessen Ecken die Koordinaten \(a, b;\; a + l, l;\; a+l, b+l';\; a,b+l'\) haben, erstreckte Integral \[ \iint_{(R)} \frac{\partial^6 \zeta}{\partial x^3 \partial y^3} F(x,y) dx dy \] unter gewissen Bedingungen für die Funktion \(\zeta\) dann und nur dann bei willkürlicher Wahl der Funktion \(F(x,y)\) verschwindet, wenn \[ F= Xy^2 + X'y + X'' + Yx^2 + Y'x + Y'' \] ist, wo \(X, X', X''\) stetige Funktionen von \(x\) allein, \(Y, Y', Y''\) stetige Funktionen von \(y\) allein bedeuten. Nunmehr werden (\(\S\) 5) auf \(F\) Systeme stückweise analytischer Funktionen \(U(x,y)\) betrachtet, deren jede auf der Kurve \(C\) den Sprung 1 erleidet, und für welche das über die gesamte Riemannsche Fläche \(F\) erstreckte Dirichletsche Integral \[ \iint_{(F)} \left\{ \left( \frac{\partial U}{\partial x} \right)^2 + \left( \frac{\partial U}{\partial y} \right)^2 \right\} dxdy \] einen endlichen Wert besitzt, so daßes stets \(<D\) bleibt. Bezeichnet \(d\) die untere Grenze der Wert des Dirichletschen Integrals aller möglichen Funktionen \(U(x,y)\), so werde eine unendliche Reihe von Funktionen: \[ U_1(x,y),\; U_2(x,y),\; U_3(x,y),\; \dots,\; U_n(x,y),\; \dots \] so ausgewählt, daßderen Dirichletsche Integrale gegen \(d\) konvergieren. Man kann dann zeigen, daßes im allgemeinen nicht möglich ist, aus der Reihe \(U_1, U_2, \dots\) eine solche unendliche Reihe herauszugreifen, deren Werte für jeden Punkt der Riemannschen Fläche gegen einen Grenzwert konvergieren. Hingegen läßt sich stets aus der Reihe \(U_1, U_2, \dots\) eine unendliche Reihe \(u_1, u_2, \dots\) derart aussondern, daßdie Doppelintegrale dieser Funktionen über gewisse, in der Riemannschen Fläche gelegene Rechtecke stets gegen einen Grenzwert konvergieren, und diese Grenzwerte dienen zur Konstruktion der gesuchten Potentialfunktion. Setzt man \[ v_n = \int_a^x \int_b^y u_n dx dy, \] so läßt sich zeigen (\(\S\) 6), daßstets der Grenzwert \[ v(x,y) = \lim_{n= \infty} v_n \] existiert, und zwar konvergieren die Funktionen \(v_n\) gleichmäßig für alle Punkte \(x,y\) im Innern oder auf einer Seite des Rechtecks \(R\) gegen jenen Grenzwert, so daß\(v(x,y)\) in \(R\) eine stetige Funktion der Argumente ist. Die Funktion \(v(x,y)\) ist ferner (\(\S\) 7) beliebig oft differenzierbar, und \[ v(x,y) = \frac{\partial^2 v}{\partial x\partial y} \] definiert im Rechteck \(R\) eine Potentialfunktion auf der Riemannschen Fläche \(F\).In \(\S\) 8 wird darauf bewiesen, daßdie Funktion \(u(x,y)\) wirklich beim Übergange über die Kurve \(C\) den Sprung 1 erleidet; in \(\S\) 9, daßsie das ins Auge gefaßte Dirichletsche Variationsproblem löst, d. h. daßder Wert des über die gesamte Fläche \(F\) erstreckten Dirichletschen Integrals für diese Funktion wirklich gleich \(d\) wird, und endlich in \(\S\) 10, daß\(u(x,y)\) sich in den unendlich fernen Punkten und in den Verzweigungspunkten regulär verhält, so daßin \(u(x,y)\) wirklich die gesuchte Potentialfunktion gefunden ist. Reviewer: Stäckel, Prof. (Kiel) Cited in 7 ReviewsCited in 1 Document MSC: 31A05 Harmonic, subharmonic, superharmonic functions in two dimensions JFM Section:Siebenter Abschnitt. Funktionentheorie. Kapitel 1. Allgemeines. Keywords:Dirichlet principle; Hilbert spaces; harmonic functions; Riemann surfaces; Weiserstrass’ counter-example × Cite Format Result Cite Review PDF Full Text: Link